One-to-Many-Kommunikation im öffentlichen Raum.
A7 Höhe Hamburg, ein LKW löst die Höhenkontrolle des Elbtunnels aus und sorgt damit für eine Vollsperrung einer Röhre. In Realtime springen die Wechselverkehrszeichen auf den davorliegenden Autobahnkilometern um, informieren die Autofahrer über den bevorstehenden Stau, drosseln die Höchstgeschwindigkeit, signalisieren den Spurwechsel und ordnen ein Überholverbot für LKWs an. One-to-Many-Kommunikation im öffentlichen Raum. Hochgradig relevant. Ein bekanntes Szenario, welches im übertragenen Sinn auch für die Außenwerbung keine Zukunftsmusik mehr ist.
Konvergenz in allen Kanälen
Die Konvergenz der Medien treibt auch die technische Konvergenz in der Außenwerbung voran. In Köln und Hamburg werden aktuell digitale Werbeflächen aufgebaut, die an Datenleitungen angeschlossen und mit Ad-Servern vernetzt sind und in Punkto Auslieferung von Werbemittel in Realtime den kleineren Screens der Gebrauchs- und Unterhaltungselektronik ebenbürtig sind. Die technischen Gegebenheiten sind jedoch nicht mit denen anderer Medien vergleichbar. Anders als bei Mobiltelefonen, Laptops oder Smart-TVs sorgt nicht der potentielle Konsument für den werblich genutzten Screen, sondern der Anbieter. Das bedeutet hohe Investitionen für Aufbau und Unterhalt der Flächen, die sich nur bei entsprechend hohen Auslastungen rentieren.
Hohe Investitionen und regulierte Platzierungen sind die beiden großen Hürden
Hinzu kommt, dass die Anbieter in den Kommunen ohnehin nicht wahllos digitale Werbeflächen im öffentlichen Raum aufbauen dürften. Anzahl, Menge und Art der Werbeträger sind reguliert. Hohe Investitionen und regulierte Platzierungen sind die beiden großen Hürden, die in absehbarer Zeit nur für einen moderaten Aufbau von digitalen Flächen im öffentlichen Raum der Großstädte und Ballungsgebiete sorgen und die ruralen Gebiete, mit Ausnahme von hochfrequenten Standorten, außen vor lassen.
Im Unterschied zur klassischen Außenwerbung sind digitale Flächen jedoch in Bahnhöfen, Flughäfen und am POS/POI schon in hoher Zahl vorhanden. Hier lassen sich mit deutschlandweit rund 110.000 Screens schon Reichweiten von rund 50% bei den Erwachsenen 14+ Jahren erzielen (DMI/GfK). Dem Löwenanteil der Screen fehlt es heute jedoch noch an einer Anbindung an ent-sprechende Ad-Server Technologien. Aber auch hier spielen möglichst hohe Auslastungen aller Werbeträger eine wesentliche Rolle, so dass die bereits einzeln adressierbaren Screens gegenwärtig doch nur im Netz belegt werden – überwiegend aber auch so nachgefragt werden.
Situative Aussteuerung schärft das Kampagnenprofil
Realtime Advertising findet in der deutschen Außenwerbung augenblicklich nur selten statt. Um die Frage zu klären, ob es dafür überhaupt einen Bedarf gibt, muss man die Außenwerbung von anderen Medien abgegrenzt betrachten. Der große Unterschied der Medien liegt darin, dass der Konsument sich das Medium Außenwerbung nicht aktiv auswählt. Das Medium ist schlicht gesagt „einfach da“ und bedient – trotz all der Konvergenz und Fragmentierung – die komplette Bandbreite von der kleinsten POI Aussteuerung bis hin zur größten nationalen Awareness-Kampagne. Jegliche Art von Kommunikation gewinnt aber mit zunehmender Relevanz der Botschaft. Und diese Bedeutsamkeit müssen wir heben. In dem One-to-Many Konstrukt fehlt es aktuell an Flexibilität, diese Relevanz in Realtime zu bedienen. Die Digitalisierung der Plakatflächen, die Konsolidierung der vorhandenen Screens und die Anbindung an Ad-Server Lösungen schafft für uns als Agentur aber diese neue zusätzliche Dimension in der Aussteuerung, also situativ und mit dynamischen Werbemitteln noch relevanter als bisher, Kommunikation zu liefern.
Der Klassiker Wettertargeting veranschaulicht dies sehr gut. Die Sinnhaftigkeit von Automobilkommunikation für ein neues Cabrio erschließt sich dem potentiellen Konsumenten bei kaltem und nassem Wetter kaum. Berücksichtigt man jedoch auch Wetterdaten wie Regenniederschlag, kann entsprechend automatisiert reagiert werden. Die relevante Alternative wäre der Einkauf des Werbeinventars und das Ausspielen eines Werbemittels, welches gekonnt mit der Situation spielt und bspw. auf Sonne nach dem Regen verweist. Die andere Alternative wäre das Nichtausspielen des Werbemittels, also das Nicht-Einkaufen des Werbeinventars während des schlechten Wetters. Auch TV-Vermarkter könnten in Zukunft die Quoten für Ihre Formaten noch gezielter unterstützen. Gekoppelt an entsprechende Ex-Post oder Prognosedaten kann Inventar eingekauft und dicht an dem Ausstrahlungstermin adressiert werden.
Die signifikante Zielgruppenhäufung: an einer bestimmten Stelle zu einer bestimmten Zeit
In wie weit für die obigen Beispiele der Einkauf in Realtime stattfinden muss oder ob nicht lediglich eine Targeting- oder Zeitschienenmechanikzum Einsatz bei bereits gebuchtem Inventar kommt, muss inhaltlich für die Kampagne abgewogen werden. Im Hinblick auf die zunehmende Anzahl von Always-On-Kampagnen ist zumindest ein hohes Maß an Flexibilität und kurzer Vorlauf gefordert. Werbebudgets finden dann punktueller und kurzfristiger ihren Einsatz. Wenn die Außenwerbung daran teilhaben will, muss sie diese Flexibilität in irgendeiner Weise bedienen können.
Im Online-Bereich – One-to-One-Kommunikation – bedeutet Realtime, dass in Echtzeit Kontakte, häufig mit bestimmten Zielgruppenmerkmalen, gehandelt werden. In der Außenwerbung – One-to-ManyKommunikation – ist das in dieser Ausprägung auch bei bestehenden Ad-Server Technologien heute noch nicht möglich. Man müsste – bevor jemand am Werbeträger vorbeikommt – wissen, dass er in der nächsten Sekunde auf das Werbemittel sieht und in diesem Moment eine genau passend verauktionierte Werbung ausspielen.
Sobald wir uns aber im öffentlichen Raum aufhalten, wird auch ein anderer, für den die Botschaft originär nicht bestimmt ist, hinsehen. Man könnte das nun Streuverlust nennen, tatsächlich wird aus dem One-to-One Konstrukt per Definition aber wieder ein One-to-Many Konstrukt. Die Rechengröße muss folglich sein, wer und wie viele in dem Moment gerade gucken oder anders gefragt, ob es eine signifikante Zielgruppen-häufung an einer bestimmten Stelle zu einer bestimmten Zeit gibt? Um dieser Frage in Realtime zu begegnen, bräuchten wir neben den oben beschrieben situativen Faktoren auch Nutzer- bzw. Zielgruppendaten, die um Bewegungsdaten ergänzt werden. Mobiltelefone werden in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen und diese Daten liefern können, bzw. bestehende Informationen ergänzen. Das sind alles Aufgaben, denen wir uns als Agentur jetzt stellen und denen wir mit großer Spannung entgegensehen. (jk)