Hyperlocality taucht als Media-Begrifflichkeit immer häufiger in den Fachmedien auf. Das Interesse der Kunden wächst, denn zum einen möchte man Trends frühzeitig erkennen und für sich nutzen, andererseits lassen sich die Möglichkeiten von Hyperlocality nicht immer trennscharf verstehen. Manchmal bekommt man den Eindruck, dass die Möglichkeiten schier unendlich sind. Wir möchten diesen Bereich besser beleuchten, um diesem „Trend“ mehr Kontur zu geben. Wir fragen unseren Geschäftsführer Christian Seemann nach seiner Einschätzung und welche Chancen und Risiken er in dieser Thematik sieht.
Es existieren einige Definitionen zur Begrifflichkeit Hyperlocality. Was verstehst Du darunter?
Hyperlokale Kampagnenstrategien werden häufig zuerst mit dynamischen Werbemitteln auf mobilen Geräten in Verbindung gebracht. Also die Position des Nutzers auf der Straße, als ein Kriterium für die Ausspielung von Mobile Ads. Eine für das Medium Mobile noch junge, aber durchaus angewandte Möglichkeit des Targetings im Rahmen von programmatischen Ausspielungen. Der relevante Raum fungiert als Trigger für die lokale Kommunikation mit Menschen in ihrem situativen Umfeld. Eine Mechanik, die im Übrigen für OOH Kampagnen grundlegend ist. Die Bedeutung von Räumen in unterschiedlichen Ausprägungen zu erkennen und sie zu nutzen, ist für OOH-Planer seit je her ein alltägliches und strategisches Werkzeug im Wirkungsdreiklang und ist quasi in der DNA des Mediums verankert.
„Der relevante Raum fungiert als Trigger für die lokale Kommunikation mit Menschen in ihrem situativen Umfeld.“

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Und wieviel Hyperlocal steckt in der DNA?
Unser Medium fordert ein räumliches Denken und Planen. Zielgruppenansprache durch präzise Umfeldbelegungen, POI – Aussteuerungen und der Einsatz in Nutzungsumfeldern wie z.B. durch Transportmedien sind die Klassiker der OOH-Aussteuerung im hyperlokalem Raum. Besonders Ambient-Media Maßnahmen nutzen gezielt Bereiche, aus denen sich Aktivitäten und Stimmungen von Zielgruppen ableiten lassen, um so die Werbebotschaft zu verstärken. Um ein hyperlokales Beispiel zu nennen: Wer kennt die klassische Freecard nicht, die mit lockeren Sprüchen die Stimmung einer heiteren Runde weiter anfeuert. Übrigens, an dieser Stelle gratulieren wir herzlich der Edgar-Freecard zum 25. Geburtstag.
„Hyperlocality verhilft Big Data in die Realität zu übersetzen.“
Die Daten getriebene Planung ist heute Realität, und wird in Zukunft unverzichtbar sein. Wir haben uns vor diesem Hintergrund mit der Agentur vor 2 Jahren neu aufgestellt. Die areasolutions kümmert sich unabhängig vom Medium um die Analyse von relevanten hyperlokalen Räumen. Neueste Daten und Analysemöglichkeiten erlauben es uns besser denn je, Areale noch feinstrukturierter trennen und bewerten zu können. Wir arbeiten hier mit einem feinen Raster, in dem Daten unterschiedlichster Quellen nach einem speziellen inhouse-entwickelten Scoring-Algorithmus zu individuellen Gebieten, zu „smartareas“ fusioniert werden. Hyperlocality ist das große Schlagwort der Zeit und verhilft Big Data in die Realität zu übersetzen. Räume von Bedeutung zu erkennen und sie zu nutzen wird in Zukunft für alle Medien relevant. Ich bin davon überzeugt, dass alle digitalen Kanäle auch TV und digital Radio in Zukunft genauere Aussteuerungen ermöglichen werden und Hyperlocality ein gewichtiger Faktor in der Mediaplanung sein wird. Für mich ist Hyperlocality der nächste logische Schritt der datengestützten Media-Optimierung.
Meinst Du, dass hyperlokale Optimierungen Auswirkungen auf die Mediennutzung haben?
Ja, die Mediennutzung ist abhängig von der Relevanz der Botschaft die gezeigt wird. Das Smartphones unsere Nutzung grundlegend verändert haben ist sicher unumstritten. Gerade hier spielen räumliche Nähe und relevante Inhalte eine entscheidende Rolle. Die Abfrage nach dem nächstgelegenen Restaurant, die Suche nach dem nächsten freien Car-Sharing Auto oder auch die freigegebene Position des Nutzers als Medium selbst, sind Beispiele für hyperlokale Mediennutzung. Gleiches gilt für OOH Medien. Entscheidend ist die richtige Wahl des Werbeträgers, am richtigen Platz, zur richtigen Zeit mit einer interessanten Botschaft. Dies erhöht die Aufmerksamkeit und die bewusste Wahrnehmung der Menschen.
Strahlen digitale OOH Medien beispielsweise eine lokale Katastrophenwarnung aus, steigt die Relevanz der Botschaft für den Einzelnen in diesem Umfeld enorm und es benötigt nicht viele Wiederholungskontakte, um sich in Sicherheit zu bringen. Weniger dramatisch, aber nach gleichem Muster erfolgt die Nutzung von OOH Kampagnen. Ein fiktives Beispiel zur Verdeutlichung. Eine Fastfood Kette nutzt ihr Motiv auf digitalen OOH Werbeträgern in einem Bahnhof, um auf einen verspäteten Zug hinzuweisen und bewirbt zugleich einen neuen Burger. Die Mediennutzung verändert sich durch den Dreiklang von Ort, Zeit und relevanten Inhalten und kann das Verhalten des Reisenden spontan verändern, schließlich wäre jetzt Zeit den Hunger in der gegenüberliegenden Filiale zu stillen. So wird das flüchtig wahrgenommene Medium OOH zum relevanten message board und verstärkt die werbliche Botschaft effektiv.
„Die Mediennutzung ist abhängig von der Relevanz der Botschaft, die gezeigt wird.“

Grafik: areasolutions
Verändern die neuen Technologien die Wirkweise des Mediums Out-of-Home?
Nein, die Wirkweise des Mediums verändert sich selbstverständlich nicht, sie hat jedoch das Potential, die Kampagnenwirkung zu steigern. OOH-Medien sind ein fester Bestandteil des öffentlichen Raumes, welche effektiv bis auf Mikroebenen geplant und ausgesteuert werden können. OOH bleibt jedoch ein flüchtiges Medium, welches je nach Kreation, Historie und Aussteuerung ein Minimum an Wiederholungskontakten benötigt, um seine Wirkung voll entfalten zu können. Auch die Digitalisierung der Werbeträger ändert dieses Wirkungsprinzip nicht. Durch die digitalen Möglichkeiten gewinnt die Gattung jedoch an Möglichkeiten und Qualität hinzu und steigert die Relevanz für Werbungtreibende in vielen Bereichen. Jährlich steigende Gesamtspendings unterstreichen diese Aussage. Die Medien erkennen selbstverständlich die Chancen und reagieren mit innovativen Entwicklungen. Ein gutes Beispiel der jüngsten Entwicklung sind für mich Displays auf den Dächern der Hamburger Taxis. Hier können Motive nach dem hyperlokalem Prinzip GPS genau ausgestrahlt werden, eine gute Entwicklung. (Lesen Sie mehr dazu auf Seite 30.
Was bedeutet das für die Markenkommunikation?
Die Marketingstrategen und die Kreativagenturen haben mit Hyperlocality ein Werkzeug an der Hand, welches sensibel angewandt, die Kommunikation mit den Zielgruppen effektvoll intensivieren kann. Hyperlocality löst die bisherigen Planungs- und Kommunikationsszenarien nicht ab, sondern ergänzt sie um weitere Möglichkeiten. Die situative Ansprache von Menschen erhöht die Aufmerksamkeit, steigert insbesondere die Glaubwürdigkeit und schafft vor allem Zielgruppenähe. Die meisten Menschen sind sehr offen für Werbung, wenn sie für sie relevant, glaubwürdig und zugänglich ist.
„Die situative Ansprache von Menschen erhöht die Aufmerksamkeit, steigert die Glaubwürdigkeit und schafft vor allem Zielgruppennähe.“
Welche Chancen eröffnen sich durch Hyperlocality, wo muss man als Werbungtreibender vielleicht besonders vorsichtig sein?
Die Chance besteht eindeutig darin, wirkungsvoller mit Menschen in ihrem Lebensumfeld zu kommunizieren. Es wäre ein Jammer, wenn wir als Branche die Investition in diese Möglichkeiten ausließen. Auf der anderen Seite darf man nicht außer Acht lassen, dass Hyperlocality allein als Substitut für bisherige mediastrategische Entscheidungen nicht geeignet ist. Es ist möglich, eine mathematisch korrekte Zielgruppen- Gebietsanalyse vorzunehmen, die in der Theorie richtig ist. Sie kann jedoch die Räumlichkeiten so stark beschränken, dass die Wirkung auf Grund der geringen Potentiale und Kontaktdosen ihr Ziel zweifelslos verfehlen wird.
„Die Chance besteht eindeutig darin, wirkungsvoller mit Menschen in ihrem Lebensumfeld zu kommunizieren.“
Siehst Du noch weitere Risiken?
Ja, auf jeden Fall. Vor allem besteht das Risiko, Zielgruppendaten durch immer weitere Datenanreicherungen zu verfeinern, so stark, bis das Kosten / Nutzenverhältnis den Weg der Vernunft verlässt. Es gibt den Punkt, an dem kalkulierte Streuverluste mit gleicher Gesamtwirkung, im TKP günstiger für den Kunden werden, als der bis in die Fingerspitzen angereicherte Datensatz. Es gilt wie immer eine gute Mitte zu finden, dafür braucht es Partner, die das richtige Verhältnis bewerten und ehrlich beraten können.
„Es gibt den Punkt, an dem kalkulierte Streuverluste mit gleicher Gesamtwirkung, im TKP günstiger für den Kunden werden, als der bis in die Fingerspitzen angereicherte Datensatz.“
Du hattest gesagt, dass hypelokale Kampagnenplanungen heute schon ein wichtiger Bestandteil sind und in Zukunft eine noch stärkere Rolle in der Mediaplanung einnehmen werden. Läutet dieser Ansatz das Ende der klassisch-analogen OOH-Werbeträger ein?
Nein, Hyperlocality bekommt durch die digitalen Werbeträger die langersehnte, besondere Dynamik und eröffnet uns und unseren Kunden neue Möglichkeiten der Zielgruppeansprache im direkten Umfeld der Menschen. Analoge OOH Werbeträger werden vermutlich auch in Zukunft selektierbar bzw. aussteuerbar sein und bleiben für hyperlokale Kampagnen als Reichweitenbasis und zur Belegung von Umfeldern ein wichtiges Instrument. So werden analoge OOH Werbeträger noch lange für ein wichtiges Grundrauschen im Stadtgebiet sorgen, die hyperlokale Aussteuerung verstärk Kampagnenleistung zusätzlich in den relevanten Gebieten. Die fehlenden Vorlaufvorteile und die dynamische Aussteuerung der digitalen Werbeträger gleichen die Analogen durch Kostenvorteile und ihre Alleinstellung aus. Zudem ist die Funktion des Werbeträgers abhängig von der Zielsetzung. Es wird auch in Zukunft Kampagnenziele geben, die eine Dauerpräsenz erwarten und die Vorzüge des Prinzips der analogen Werbeträge zu schätzen wissen. OOH hat das Potential TV Reichweitenverluste und Bewegtbild Engpässe im Online, gerade bei jungen Zielgruppen zu kompensieren. Die neuen Ansätze helfen uns, Bewegungen und das Verhalten von Zielgruppen außerhalb der „vier Wände“ noch besser zu verstehen, und sie situativer anzusprechen. Hyperlocality bringt uns wieder ein weiteres Stück nach vorn.
„Es wird auch in Zukunft Kampagnenziele geben, die eine Dauerpräsenz erwarten und die Vorzüge des Prinzips der analogen Werbeträger zu schätzen wissen.“
Christian, wir danken für dieses Gespräch.